Die trigon und unsere Waxa-Art

Das Kunstwerk anläßlich der "trigon 66" entstanden in einer langen Nacht im Club Symposion in Graz.
In einer lan­gen Nacht im Club Sym­po­si­on in Graz ent­stan­den. Die­ses Kunst­werk füll­te die Tages­pres­se und eine der damals noch sel­te­nen TV-Live-Über­tra­gun­gen des ORF. Anlass war die Eröff­nung der “tri­gon”. Es müß­te im Jah­re 1966 gewe­sen sein.

Ein lee­res wei­ßes Blatt Papier war irgend­wo noch vor­han­den. Und genau die­ses eine weiß-jung­frau­li­che Papier zün­de­te ganz impul­siv-initi­al. Die­se unbe­rühr­te Wei­ße muß­te doch irgend­et­was trans­por­tie­ren kön­nen, unse­re men­ta­len Ein­stel­lun­gen, Ideen, Beschrei­bun­gen, unse­re augen­blick­li­che Zustän­de. Was die­ses Weiß trans­por­tie­ren woll­te oder konn­te oder muss­te, war also noch nicht defi­niert. Eines jeden­falls war den vor der Unbe­rührt­heit Ver­sam­mel­ten bereits klar: Der in Pla­nung befind­li­che Trans­port muß­te ohne tra­di­tio­nel­le Hilfs­mit­tel erfol­gen, also ohne Pin­sel oder Stif­te, ohne Pas­tell- oder Was­ser­far­ben. Die im Club Sym­po­si­on Anwe­sen­den blick­ten suchend umher. Da stan­den ein paar lee­re und noch nicht ganz geleer­te Fla­schen und Fläsch­chen her­um, gesäu­ber­te lee­re und teil­wei­se auch wie­der gefüll­te Aschen­be­cher, schreib­be­rei­te Filz­stif­te samt Inlet, vor allem aber Waxa! Zur Boden­pfle­ge. Dass die­se pas­ten­ar­ti­ge Crè­me über­haupt in das männ­li­che Bewußt­sein vor­ge­drun­gen war, beweist die Teil­nah­me von Frau­en an unse­rem Crea­tiv-Ver­bund. Die­ses Waxa ver­band sich aus­ser­dem vor­züg­lich mit der Zigar­ren- und Ziga­ret­ten-Asche, mit Ziga­ret­ten­stum­meln und mit dem Inlet der Filz­stif­te! Es wur­de eine lan­ge Nacht, die­se Nacht des Kunst-Trans­ports. Draus­sen wur­de es bereits hell, es grau­te schon der Mor­gen. Wir waren mit unse­rem Kunst­werk fer­tig, wir hat­ten erreicht was wir woll­ten. Wir tra­ten hin­aus in die Mor­gen­däm­me­rung, tra­ten hin­aus in die Trautt­mans­dorff­gas­se vor unse­ren Club. Unweit davon, neben dem Künst­ler­haus am Burg­ring, hat­te die Aus­stel­lungs­lei­tung, die “Neue Gale­rie”, einen haus­ho­hen Zylin­der aus Holz errich­tet, umhüllt von Kunst­stoff-Folie. Dass die­ser Stoff Mee­re und Seen fül­len soll­te – wer hät­te sich das träu­men las­sen, damals. Wir hef­te­ten das Kunst­werk in unmit­tel­ba­rer Nähe des Red­ner-Podes­tes durch die Folie an die Bret­ter, wel­che in die­sem Fal­le einen gros­sen Teil der Welt bedeu­te­ten. Und natür­lich hoff­ten wir, dass unser Kunst-Trans­port durch die Optik der Foto­gra­fen und Kame­ra­leu­te auch inter­es­sier­te Leser und Schau­er errei­chen wür­de. Erst in die­sem Augen­blick wur­de uns bewußt, dass es Pro­vo­ka­ti­on war, was wir vor­hat­ten. Dass wir aller­dings eine sol­che Dis­kus­si­on aus­lö­sen wür­den, damit hat­ten wir nicht gerech­net. Ist die­ses Pla­kat, dass sich aus­ser­halb der “tri­gon” prä­sen­tier­te, zur “Kunst” zu zäh­len, oder ist das nur Kunst, was sich inner­halb der “tri­gon” dar­stell­te? So und ähn­lich lau­te­ten die Schlag­zei­len, wur­de dis­ku­tiert. Sogar das Fern-Sehen gab Feed-Back. Alle waren da. Die Initia­to­ren der tri­gon, Univ.-Prof. Dr. Hanns Koren und Wil­fried Skrei­ner, sogar der Bun­des­prä­si­dent so viel ich mich erin­nern kann. Nur wir nicht, wir hat­ten ande­res zu tun, wir sahen uns ver­pflich­tet, uns auf unse­re Zukunft vor­zu­be­rei­ten. Wir hat­ten Fecht- oder Bal­lett­un­ter­richt, dra­ma­ti­schen Unter­richt, der ja manch­mal nicht einer gewis­sen Dra­ma­tik ent­behr­te, viel­leicht hat­ten wir bloß Vor­le­sun­gen in Lite­ra­tur- und Thea­ter­ge­schich­te oder muss­ten uns mit Sprech- und Atem­tech­nik aus­ein­an­der­set­zen. Jeden­falls hat­te das alles abso­lu­te Prio­ri­tät vor dem Fest­hal­ten der Gegenwart. 

Werner Achtschin vor unserem "Kunstwerk" anläßlich der Ausstellung "trigon" in Graz.
Wer­ner Acht­schin wirft noch einen letz­ten kri­ti­schen Blick auf unser voll­ende­tes Kunst­werk aus­ser­halb der Aus­stel­lung “tri­gon” . Ein pro­mi­nen­ter Platz am Holz­turm neben dem Künst­ler­haus am Burg­ring in Graz.

Obwohl ich die Beschäf­ti­gung mit dem All­täg­lich-Gegen­wär­ti­gen schon als “sehr enga­giert” bezeich­nen muß. Es berei­te­te etwa unbän­di­ges Ver­gnü­gen an der Ecke der Gra­zer Her­ren­gas­se mit der Hans-Sachs-Gas­se das Ver­kehrs­zei­chen “Ach­tung! Fuss­gän­ger” durch ein täu­schend ähn­li­ches zu erset­zen, wel­ches ein­dring­lich vor “auf­ge­scheuch­ten Hüh­nern” warn­te. Und das erle­dig­ten wir noch dazu an einem äußerst beleb­ten Sams­tag-Vor­mit­tag. Ich war dazu­mal zwar “nur” als einer der Siche­rungs­pos­ten ein­ge­setzt, den­noch berei­te­te es mir Ver­gnü­gen. “Funk”-Streifen exis­tier­ten damals aus­schließ­lich in kühns­ten Träu­men, alles wur­de ledig­lich zu Fuß ergan­gen und erplau­dert und erfragt. Ich kann mich noch an die offe­nen Mann­schafts­wa­gen der Poli­zei erin­nern, als die Mann­schaf­ten mit auf­ge­schnall­tem Stahl­helm und schuss­be­rei­tem Kara­bi­ner in der fri­schen Luft saßen und zum Ein­satz kut­schiert wur­den. Die Poli­zei trug damals noch lan­ge, grü­ne Män­tel, bis übers Knie rei­chen­de, schwe­re, lan­ge Män­tel. So gese­hen waren sie, vor allem in der käl­te­ren Jah­res­zeit, schon sehr behin­dert. Nicht Behin­de­rung son­dern Auf­bruch soll­te die Idee der Drei­län­der­bi­en­na­le “tri­gon” signa­li­sie­ren. Ent­stan­den im Umfeld des Chruscht­schow-Besu­ches der Stei­er­mark 1960, des Abkeh­rens und Auf­wei­chens des Mos­kau-Kur­ses Titos, des Begrün­ders der “Drit­ten Front”, der Bewe­gung der Block­frei­en, wur­de die “tri­gon” das ers­te Mal gemein­sam mit Ita­li­en 1963 durch­ge­führt. Dun­kel kann ich mich noch an die­ses Jahr 1960 erin­nern, an die Über­nach­tung Chruscht­schows im Schloss Eggen­berg in des­sen Prunk­saal wir Jähr­chen spä­ter als “Jun­ges Thea­ter” auf­tre­ten wür­den. Ich hat­te die­se Über­nach­tungs­in­for­ma­ti­on von mei­nem Vater, woher er sie hat­te, dar­an kann ich mich nicht mehr ent­sin­nen. Jeden­falls war ich mit einer gan­zen Rie­ge von jun­gen Bur­schen – anschei­nend unse­re dama­li­ge Gym­na­si­al­klas­se – zu Gast in der Hotel­fach­schu­le Bad Glei­chen­berg, wo wir alles das auf­ge­tischt beka­men, was die Entou­ra­ge Chruscht­schows und er sel­ber ver­ständ­li­cher­wei­se übrig gelas­sen hat­ten. Und das hat­te es in sich! Wir aßen kubik­zen­ti­me­ter­wei­se, den Wein genos­sen wir tröpf­chen­wei­se! Das “Slow Food” haben wir damals schon um einen gan­zen Dach­stein über­trof­fen und das mit unse­ren fünf­zehn Jah­ren in der öster­rei­chi­schen Nach­kriegs­ge­schich­te. Die­ses Fest­mahl und das Hoch­zeits­mahl um vie­les spä­ter im heu­ti­gen Slo­we­ni­en gemein­sam mit Die­ter Dor­ner hat sich auf ewig in mir fest­ge­setzt. Man brach­te uns damals in weni­gen Minu­ten bei, Wein zu “ver­kös­ti­gen”, nicht ein­fach nur Roten oder Weis­sen zu trin­ken, wie dazu­mal üblich in den Restau­rants und Wirts­häu­sern. Wir haben wirk­lich jeden Trop­fen genos­sen, jeden Trop­fen! Es war jeden­falls ein ech­tes, wah­res Freu­den­fest für unse­re Geschmacks­sin­ne! Die­ses Geschmacks­fest in Ver­bin­dung mit der “tri­gon” war auch der Grund, war­um ich so moti­viert war in Bezug auf die Alpen-Adria-Initia­ti­ve etwas spä­ter in Kärn­ten. In den 60er-Jah­ren des 20. Jahr­hun­derts hät­te ich mir nicht träu­men las­sen, dass ich ein­mal neben C.F. Petur­nig sit­zen und sei­ne Tex­te zu die­ser drei-Län­der-Initia­ti­ve wie­der­ge­ben wer­de. C.F. ist lei­der viel zu früh von uns gegan­gen, muss­te von uns gehen. Sei­nen letz­ten Weg im Wie­ner All­ge­mei­nen Kran­ken­haus hat er noch auf­ge­zeich­net. Als Ton­do­ku­ment. Mit­hil­fe eines “Nagra”. Als Leih­ga­be von Stu­dio Kärn­ten. C.F.Peturnig war aber nicht nur ORF-Redak­teur. Er war auch begna­de­ter Lyri­ker, Arbei­ter-Lyri­ker. Eigent­lich müß­te jenes AKH-Ton­do­ku­ment noch exis­tie­ren. Hoffentlich.

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