Der Ort zum Miteinander: Club Symposion

Mei­ne gan­zen aka­de­mi­schen Lehr­jah­re bis hin zum Start hin­ein in den ORF hat er mich beglei­tet, der Club Sym­po­si­on. Bis zu dem Zeit­punkt mei­nes Wech­sels in das Bun­des­land Kärn­ten, zum ORF-Lan­des­stu­dio Kärn­ten, wel­ches, so wie damals der gan­ze ORF bun­des­weit, von den Nach­bar­staa­ten inklu­si­ve Ost­block wie von der Ana­con­da hyp­no­ti­siert und reak­ti­ons­un­fä­hig behört wur­de, jah­re­lang, bis end­lich Reak­ti­on und Akti­on fest­zu­stel­len war. Rea­li­ter waren die fol­gen­den unge­fäh­ren bei­na­he 30 Jah­re ein letz­tes Auf­bäu­men die­ses klein­ge­wor­de­nen mon­ar­chi­schen Lan­des, das sich unmit­tel­bar nach der Implo­si­on nur mehr in die Hän­de eines Ex-Öster­rei­chers ret­ten konn­te, aus denen es wie­der­um von der Rest-Welt in die bein­har­te poli­ti­sche Rea­li­tät gezwun­gen wur­de. In jeder Hin­sicht. Bis heu­te ist ein gro­ßer Teil der “Öster­rei­cher” von eins­tens nicht fer­tig gewor­den mit sei­nem angeb­li­chen “Schick­sal”, das natür­lich nur sehr weni­ge betraf und von der Mas­se aus­zu­löf­feln war, was von poli­tisch nicht ganz Unbe­darf­ten in Rich­tung vor­han­de­ne Nai­vi­tä­ten weid­lich aus­ge­nützt wur­de und noch immer wird. Auch dar­über wur­de im Club dis­ku­tiert, wie­der und wie­der. Die­se paar Jah­re bis zu mei­nem Exodus hat mich der “Club Sym­po­si­on” in der Gra­zer Trautt­manns­dorff­gas­se 3 beglei­tet. Wie der Name schon andeu­te­te, wur­de der Club zum Dis­kus­si­ons- und Trink- und Unter­hal­tungs-Mit­tel­punkt für eine gan­ze Rei­he damals völ­lig unbe­deu­ten­der Jugend­li­cher. Er reih­te sich naht­los an den “Brand­hof”, war etwas exklu­si­ver. Ein­ge­las­sen wur­den nur Mit­glie­der und deren Gäs­te. Der “Club” war eine Crea­ti­on ehe­ma­li­ger Kol­le­gen der evan­ge­li­schen Jugend, die ich zwar vom Sehen her kann­te, aber erst als sich der ehe­ma­li­ge “Kreuz­fah­rer” die­ses evan­ge­li­ka­len Krei­ses namens Harald Per­scha ent­schloss eben­falls Schau­spie­ler zu wer­den, öff­ne­te der “Club” sei­ne Tore auch für mich. Harald wur­de Jah­re spä­ter Chef­spre­cher von Stu­dio Stei­er­mark. Das süd­li­che Öster­reich war immer schon die Res­sour­cen­quel­le Öster­reichs, so hat etwa Fritz Muli­ar 1946 als Rund­funk-Spre­cher in Kärn­ten begon­nen, sei­nen Weg als Schau­spie­ler in Graz beim Kaba­rett-Ensem­ble “Der Igel” fort­ge­setzt und die Kar­rie­re dann in Wien ent­fal­tet, gekrönt und been­det. Bei die­sem Ensem­ble wirk­te auch Franz Ste­fan Pip­pal mit, der Vater von Jen­ny, nach­ma­li­ge pro­mi­nen­te Fern­seh­spre­che­rin in einer Zeit, als es nur zwei sol­cher Pro­gram­me gab und die “Damen ohne Unter­leib” die abend­li­chen Beglei­te­rin­nen dar­stell­ten. Aber “Der Süden – eine öster­rei­chi­sche Res­sour­ce” ist ein ganz, ganz ande­res Buch! Blei­ben wir beim ““Club Sym­po­si­on” in den 60er-Jah­ren des vori­gen Jahr­hun­derts. Ich habe bereits auf die Bedeu­tung die­ses Clubs hin­ge­wie­sen, im Kapi­tel “Die 3 aka­de­mi­schen Jah­re”: Fech­ten vor dem Club, das Klir­ren der Waf­fen in stock­fins­te­rer Nacht in der mit­tel­al­ter­li­chen Enge der Gra­zer Altstadt!

Links: Gaby, die spätere Erbin meines Floretts. Ganz rechts: Meinrad Nell. Betrieb im Club Symposion!
Betrieb im “Club Sym­po­si­on”. Heis­se Dis­kus­sio­nen, Lachen, Unter­hal­tung. Links: Gaby, die spä­te­re Erbin mei­nes Flo­retts. Ganz rechts: ich, Mein­rad Nell – aufgestört.

Süd­li­ches Blut hat­te dem ORF aus dem Club her­aus ja tat­säch­lich Leben ein­ge­haucht. Da trieb sich etwa Gün­ther Pol­an­ec noch als Stu­dent umher und zog dann ins sport­li­che “Xiber­gien” nach Vor­arl­berg, klar, zum Rund­funk, es gab nur den einen. Der ORF hat­te damals, ab 196768, star­ken Bedarf nach fri­schen mensch­li­chen Res­sour­cen. Der gan­ze Club war frisch und mensch­lich. Der gan­ze Club war impro­vi­siert. Das begann schon bei der Ein­gangs­tür, das heißt bevor sie sich öff­ne­te. Da muß­te man an einer Schnur zie­hen, wenn man wuß­te, wo sie war. Dann bim­mel­te im Kel­ler­ge­wöl­be ein klei­nes Glöck­lein, wel­ches von jeman­den gehört wer­den muß­te der Club­mit­glied war und sich in den Kel­ler-Räum­lich­kei­ten befand. Drei oder vier Stu­fen ging es direkt nach der Ein­gangs­tür hin­un­ter, rechts war ein Podest, eine Art Büh­ne auf der ein gewis­ser Franz Hoh­ler auf­ge­tre­ten ist, damals hier­zu­lan­de noch völ­lig unbe­kannt. Die­ser Abend war übri­gens ein vol­ler Erfolg. Gera­de­aus befand sich ein Raum mit zusam­men­ge­wür­fel­ten Sitz­mö­beln und Tischen und einem Fens­ter. Gleich neben dem Ein­gang und dem Ver­an­stal­tungs­raum war die Gar­de­ro­be, schräg rechts davon die “Bar”, wo es die Geträn­ke gab. Selbst­be­die­nung, selbst­ver­ständ­lich. Von da aus kam man in einen wei­te­ren Raum mit Fens­ter. Die Fens­ter spiel­ten eine sehr sehr gro­ße Rol­le – wegen der Lüf­tung. Der Bar-Raum war der Aus­gangs­punkt jeg­li­cher Dis­kus­si­on, erst danach zog man sich in einem der ver­blei­ben­den Räu­me zurück und ver­tief­te oder ver­lor sich. Hat­te man irgend­et­was auf dem Her­zen, im “Club” fand man Ansprech­part­ne­rin­nen und ‑part­ner, man konn­te über alles reden und auch wenn man über­haupt nicht wuß­te, wonach einem der Sinn stand, hier, in die­sem Club, stieß man auf Sym­po­si­en! Wenn man Unter­hal­tung such­te, wenn man sich einem Getränk hin­ge­ben woll­te, im “Club” konn­te man das. Und das noch dazu in harm­lo­sen, ganz und gar bra­ven Zei­ten! Da gab es kei­nen ein­zi­gen Dea­ler-Kuss, “joints” waren Fremd­wör­ter. Jazz­kel­ler wie das “Cave” waren im heu­ti­gen Sinn “clean”, Loka­le wie der “Stain­zer­bau­er”. Ein­la­den­de, gemüt­li­che Loka­li­tä­ten gab es jede Men­ge, den Girar­di-Kel­ler zum Bei­spiel, begast­wir­tet von Lore Krai­ner, im Geburts­haus Alex­an­der Girar­dis, gleich gegen­über unse­rer Aka­de­mie in der Leon­hard­stra­ße. Im Kel­ler Girar­dis tra­fen wir uns manch­mal nach dem Unter­richt mit unse­rem “Ther­wi”. Oder ein paar hun­dert Meter wei­ter die berühm­te “Gol­de­ne Kugel” mit bei­na­he hun­dert Sor­ten Bier aus aller Welt und Spei­sen, die zum Getränk pass­ten, dar­un­ter die rie­si­gen Bier­tel­ler, und natür­lich gab es dort auch den 2‑Li­ter-Stie­fel, aus dem alle tran­ken, die Rang und Namen hat­ten unterm stu­den­ti­schen Volk.

Links Harald Perscha, Jährchen später Chef-Sprecher des ORF-Landesstudios Steiermark, ganz rechts Meinrad Nell, zwischen den beiden Sybille Hrozny, zur Faschingszeit im Club Symposion.
Links Harald Per­scha, Jähr­chen spä­ter Chef-Spre­cher des ORF-Lan­des­stu­di­os Stei­er­mark, ganz rechts Mein­rad Nell, zwi­schen den bei­den Sibyl Hroz­ný, zur Faschings­zeit im Club Sym­po­si­on. – Bild: Foto Schel­lan­der, Graz

Das Bierst­überl im Hotel Stei­rer­hof erfreu­te sich unter Stu­den­ten eben­falls gro­ßer Beliebt­heit. Aus­ser­dem war die­ses Hotel am Jako­mi­ni­platz zur Faschings­zeit der Ver­an­stal­tungs-Ort zahl­rei­cher Matu­ra­bäl­le. Für unse­re Grup­pe, das war die Grup­pe der Jugend­li­chen mit den 2m-Schals und den Melo­nen am Kopf, für die­se Grup­pe dien­ten die Matu­ra­bäl­le immer als sorg­fäl­tig durch­in­sze­nier­te Auf­tritts­mög­lich­kei­ten, indem wir dort bei­spiels­wei­se neue Tän­ze erfan­den, oder Chor­ge­sän­ge. Aus­ser­dem hat­ten wir bald den Dreh her­aus, wie man die gan­ze Ball-Orga­ni­sa­ti­on umge­hen konn­te ohne zu bezah­len. “Nor­ma­le” Bäl­le waren unmo­dern für uns, sie waren lang­wei­lig und folg­ten dem, was wir sowie­so in den tra­di­tio­nel­len Tanz­schu­len erlern­ten, sie folg­ten also jahr­hun­der­te alten Ste­reo­ty­pen. Wir sehn­ten uns nach mehr, aber woher soll­te die­ses Mehr denn kom­men, wenn nicht aus uns selbst her­aus. Sicher, ein wenig brach­te uns der Ein­bruch der west­li­chen Kul­tur, das bedeu­te­te US-Kul­tur, Hol­ly­wood und Detroit, natür­lich auch New York. Aber das war nur ein kur­zes Luft­ho­len, was wir woll­ten, woll­ten wir aus uns selbst her­aus und das soll­te noch lan­ge dau­ern. Das ver­stan­den aus­ser­dem bloß ganz wenige.

Kostümfest 1966 im "Club Symposion". Widmung von Sibyl Hrozný. Bevor es uns hinaus katapultierte ins Leben, in die Individualität.
“Alles Neu macht der Mai” – Kos­tüm­fest 1966 im “Club Sym­po­si­on”. Wid­mung von Sibyl Hroz­ný. Bevor es uns hin­aus kata­pul­tier­te ins Leben, in die Indi­vi­dua­li­tät. – Bild: Foto Schel­lan­der, Graz

Gleich bei der Ein­mün­dung der Trautt­mans­dorff­gas­se in die Bür­ger­gas­se befand sich eines der begehr­tes­ten Restau­rants, das “Win­ter­bier­haus”. Es lag unse­rem Club gegen­über, prä­zi­se: im Eck­haus Bür­ger­gas­se / Bin­der­gas­se. Für eine gan­ze Rei­he pro­mi­nen­ter Gra­ze­rin­nen und Gra­zer war es das Stamm­lo­kal für den Genuß von Bal­kan-Spe­zia­li­tä­ten, wie das “flam­men­de Schwert”, ser­bi­sche Boh­nen­sup­pe oder Cevap­ci­ci. Man darf nicht ver­ges­sen, dass damals die Welt noch klein war. Ein Auf­ent­halt an der Adria war in jener Zeit noch “tief im Süden”, irgend­wo dort unten! Nach der Auf­lö­sung Jugo­sla­wi­ens stell­te sich her­aus, dass jene Bal­kan-Spe­zia­li­tä­ten von damals haupt­säch­lich kroa­ti­scher Natur waren. Unweit vom Exil-Kroa­ten gab es noch den “Gam­bri­nus­kel­ler”, der eben­falls mit Bal­kan-Spe­zia­li­tä­ten lock­te. Wur­de es nach einem Club-Besuch ein­mal etwas spä­ter oder bes­ser: Frü­her am Mor­gen, muß­te ein abschlie­ßen­der Besuch des “Spor-Buffs” unbe­dingt sein. Die­ses Buf­fett in der Spor­gas­se schenk­te nur Bier und unga­ri­sche Boh­nen­sup­pe aus, hek­to­li­ter­wei­se, so schien es. Da gab sich das gan­ze über­näch­ti­ge Graz ein letz­tes wan­ken­des und schwan­ken­des und faseln­des Tref­fen sehr spät am frü­hen Mor­gen. Den “Kreb­sen­kel­ler” hät­te ich bei­na­he ver­ges­sen bei unse­rem gas­tro­no­mi­schen Rund­gang aus dem Club her­aus, oder das “Gös­ser-Stüberl”. Wobei auf­fällt, dass das rech­te Mur-Ufer für uns damals so gut wie nicht exis­tiert hat, bis auf den Gries­platz, von dort gin­gen auch eini­ge wich­ti­ge Bus­li­ni­en ab, der gro­ße Dop­pel­ge­lenk-Bus nach Köf­lach und Voits­berg etwa, vor­bei an der Reha­bi­li­ta­ti­ons­kli­nik Tobel­bad. Die­se ist heu­te noch bei­na­he unver­än­dert und sieht noch immer so aus, wie in den Zei­ten des Auf­ent­hal­tes unse­res “Opas” dort, in den 1950er-Jah­ren. Nach einem Ober­schen­kel­hals­bruch. Aber ansons­ten war die Gegend um die­sen Platz her­um, für uns eher eine Gegend für das Umher. An die “Tri­umph-Bar” kann ich mich noch erin­nern, dort gab es Ani­ma­ti­on und Strip-Tease! Das war schon was in die­sen Zei­ten. Wir waren vier oder fünf Mal dort, nur um auch die­ses erlebt zu haben. Ech­te, bein­har­te Pro­sti­tu­ti­on! Wie ist das, was tut sich da? Wer­den dort tasäch­lich Män­ner­träu­me wahr? Bald hat­ten wir her­aus­sen, dass es jene Per­ver­si­tä­ten waren, um wel­che es in so man­chen Thea­ter­stü­cken oder Fil­men ging. Aus­ser­dem woll­te der Juni­or-Chef, Herr R., Schau­stel­ler oder ‑spie­ler wer­den, was wir wie­der­um für per­vers hiel­ten. Aber wir lies­sen ihm die­sen Traum.

Der junge Mann mit dem blauen Auge im Hintergrund ist Kollege Dietmar Pflegerl, späterer Intendant des Stadttheaters Klagenfurt. Im Vordergrund Sibyl Hrozný und Meinrad Nell mit persönlichem italienischem Florett.
Der jun­ge Mann mit dem blau­en Auge im Hin­ter­grund ist Kol­le­ge Diet­mar Pfle­gerl, spä­te­rer Inten­dant des Stadt­thea­ters Kla­gen­furt. Im Vor­der­grund Sibyl Hroz­ný und Mein­rad Nell mit per­sön­li­chem ita­lie­ni­schem Florett.

Die öster­rei­chi­sche Post lie­fer­te zu die­ser Zeit ihre Pake­te in den Bal­lungs­zen­tren noch mit Elek­tro-Bus­sen aus. In die­sen Jah­ren waren die frei­en den­ken­den Mit­men­schen noch nicht auf “Erd­öl-Schie­ne” gebracht. Das Nach­fol­ge-Unter­neh­men der “Post” wird den Umstieg auf ein alter­na­ti­ves Betriebs­mit­tel sehr bald end­gül­tig voll­zie­hen müs­sen. Wenn sogar der klei­ne aber unheim­li­che und wich­ti­ge mili­tan­te Teil der Mensch­heit sich damit aus­ein­an­der setzt, was vor weni­gen Jah­ren noch Men­schen zuge­mu­tet wur­de, in Zukunft von Robo­tern erle­di­gen zu las­sen, oder von Droh­nen, wird´s ja auch Zeit. Die erd­öl­ge­steu­er­ten Män­ner – damals gab es noch kei­ne Frau­en im “Big Busi­ness” – hat­ten ja sowie­so eini­ge Jahr­zehn­te lang Zeit, Kon­zer­ne und Töch­ter und Söh­ne auf­zu­bau­en und sich dort nie­der­zu­las­sen, wo es sich die Natur in der Gestalt der Erde in den kom­men­den Jah­ren all zu leicht wie­der holen kann. Es geht wirk­lich nichts ver­lo­ren, abso­lut Nichts. Für uns Erden­wür­mer­chen aller­dings schon, ganz ober­fläch­lich betrach­tet. Wir dis­ku­tier­ten in den Club-Jah­ren bereits dar­über und über die Mobi­li­tät, die uns damals das soge­nann­te Wirt­schafts­wun­der auf Basis des Erd­öls aus dem Inne­ren der Erde bescher­te und nie­mand – bis auf ein paar weni­ge Insi­der – dach­te dar­an, dass sol­che Res­sour­cen ein­mal zu Ende gehen könn­ten und bis dahin etwas frei­set­zen wür­den, wor­an kein Unwis­sen­der jemals gedacht hät­te. Wir rede­ten und dis­ku­tier­ten auch dar­über, was dar­aus noch wer­den könn­te. Zu die­sem Zeit­punkt hat­te ich noch kei­ne Ahnung, dass ich mich eini­ge Jah­re spä­ter auf der Ral­lye-Cross-Maschi­ne hin­ter Heinz Kin­ni­gard­ner zwän­gen wür­de und mit ihm über den kunst­voll auf­ge­bau­ten Par­cours im Wie­ner Mes­se­ge­län­de zischen wür­de. Auch mit sei­nen Kol­le­gen, jeden Tag mit einem ande­ren. Oder dass ich als Mode­ra­tor der Niki-Lau­da-Shows in Wien mit all den For­mel-1-Stars der dama­li­gen Zeit den Tep­pich für die Mobi­li­täts­ver­ei­ni­gung aus­rol­len solll­te. Wir rede­ten und dis­ku­tier­ten und dach­ten nicht im Ent­fern­tes­ten dar­an, ein­mal sel­ber im Mit­tel­punkt der Mei­nungs­bil­dung zu ste­hen in Bezug auf Mobi­li­tät, obwohl wir schon ahn­ten, uns bei­na­he am Ende einer Ent­wick­lung zu befin­den, die uns aber wohin wohl füh­ren soll­te? Par­al­lel dazu träum­ten wir auch von der indi­vi­du­el­len voll­au­to­ma­ti­schen Mobi­li­tät bei der man nichts mehr tun muss­te, mit­hil­fe der man von A nach B gefah­ren wur­de. Wer von uns hat­te damals schon eine Ahnung davon, dass wir Mensch­lein uns von einer Unmen­ge von sui­zi­da­len Ent­schei­dungs­pro­zes­sen her­aus neh­men müs­sen, wer von uns ahn­te damals schon, dass jeder Traum nur die Beschrei­bung eines Ziels ist. Zu die­ser Zeit erfass­te ich noch nicht die Trag­wei­te des Gotts­win­ter­schen Spru­ches aus mei­ner Kind­heit, dass tra­di­tio­nel­le Wirt­schaft die Fort­füh­rung der Welt­krie­ge sei. 

Links Meinrad Nell, rechts Werner Achtschin. Davor Unbekannt. Entenjagd im Schanzgraben des Grazer Stadtparks.
Auch ohne Besuch des Spor-Buffs fan­den wir es lus­tig, um fünf Uhr früh die Enten des Gra­zer Schanz­gra­bens im Stadt­park ein­zu­fan­gen und mit irgend­was was wir gar nicht hat­ten anein­an­der zu bin­den. Wir stell­ten uns vor, dass es unheim­lich lus­tig sein muss­te, das unsyn­chro­ni­sier­te Wat­scheln zu sehen und die Tier­lein dabei in höchs­ter Panik qua­ken zu hören. Ste­hend links Mein­rad Nell, rechts Wer­ner Acht­schin. Davor ein Unbekannter.

Sowohl in- als auch aus­ser­halb des Clubs spiel­ten die Ent­wick­lun­gen in der bil­den­den Kunst, inter­na­tio­nal und natio­nal, eine gro­ße Rol­le. Gibt es über­haupt so etwas wie Gren­zen in der Kunst? Was ist denn Kunst, was bedeu­tet die­ser Begriff? Ist es über­haupt mög­lich, die­se “Kunst” natio­nal oder natio­na­lis­tisch zu begrei­fen? Wir hat­ten die Ent­ar­te­te Kunst hand­greif­lich noch vor uns. Unse­re Gene­ra­ti­on hat­te sie zwar schon über­wun­den, aber es leb­ten noch genü­gend von jenen Gene­ra­tio­nen unter uns, denen die “Ent­ar­tung” zum Lebens­in­halt gewor­den war, ohne die Gan­gli­en in der grau­en Mas­se da oben zu bean­spru­chen. Und sie gaben ihre Über­zeu­gun­gen auch wei­ter. Sie­he mei­nen “Pro­fes­sor” in bild­ne­ri­scher Kunst (sprich “Zeich­nen”) im Pes­ta­loz­zi-Gym­na­si­um. Dass es einen direk­ten Zusam­men­hang zwi­schen Kunst und der Sprech-Spra­che des Men­schen geben soll­te, stand für mich noch in wei­ter Fer­ne! Ent­deck­te ich doch gera­de erst die Wur­zeln des Stam­melns, des Stot­terns, die Wur­zeln der ein­zel­nen Lau­te, ent­deck­te ich doch erst, dass es min­des­tens zwei Arten von Mut­ter­spra­chen gibt, dass es eine Sprech-Spra­che und eine Schrift-Spra­che gibt. Und das berei­te­te mir schon genug Pro­blem­chen. Dass sich in weni­gen Jahr­zehn­ten auch der Begriff der Medi­en ändern wür­de, ahn­te damals noch nie­mand. Öster­reich war damals unzu­frie­den mit dem “Öster­rei­chi­schen Rund­funk” und war gebannt von dem, was das “Fern­se­hen” zu sein schien. Hör­funk und Fern­se­hen schie­nen die Lokal­me­di­en exis­ten­zi­ell zu bedro­hen, ähn­lich wie es Ende des zwei­ten Jahr­tau­sends mit der digi­ta­len Bedro­hung zu wer­den schien. Die Feu­er und Rauch spei­en­den Unge­tü­me aus Peter Roseg­gers Loch unterm Sem­me­ring sind zu ele­gan­ten Glie­der­füß­lern aus dem Sem­me­ring-Basis­tun­nel gewan­delt wor­den. Und jeder­mann ist dank­bar dafür. Für Mobi­li­tät. Heu­te ver­hält es sich in Bezug auf Infor­ma­ti­on genau­so. Ein Click reicht um zu wis­sen, was sich auf die­ser Erde alles tut. Zum Leid­we­sen eini­ger tra­di­tio­nel­ler Ver­lags­häu­ser. Zum Leid­we­sen tra­di­tio­nel­ler gewerk­schaft­li­cher Grup­pie­run­gen. Zum Leid­we­sen der ver­schie­dens­ten Par­tei­en. Zum Leid­we­sen von Tra­di­tio­na­lis­ten gene­rell. Wobei es denen genau­so geht wie es uns damals gegan­gen ist: Die Ant­wort der vie­len Dis­zi­pli­nen, die sich mit Tra­di­ti­on beschäf­tig­ten und noch immer beschäf­ti­gen, war gleich Null. Erst heu­te fin­de ich Ansät­ze zu Lösun­gen die­ser Kon­stel­la­ti­on, die ich einem gor­di­schen Kno­ten gleich­set­zen wür­de. Aber soweit sind wir noch nicht. Zurück in die Club-Jah­re: Zunächst müs­sen wir uns – als Öster­rei­cher – gegen Geld noch von einer tief­ro­ten, roten, schwar­zen oder tief­schwar­zen Tages­pres­se infor­mie­ren las­sen. Zunächst las­sen wir uns noch ein­ko­chen von einer unse­ren Gedan­ken­gän­gen ent­spre­chend ein­ge­färb­ten mei­nungs­bil­den­den Füh­rungs­mann­schaft. Wir waren auch bereit, für die­se unse­re Vor­den­ker zu bezah­len, das heißt für deren Lebens­un­ter­halt auf­zu­kom­men. Das funk­to­nier­te ein paar Jähr­chen im Übri­gen ganz gut. Da funk­te plötz­lich der ORF als Unpar­tei­ischer dazwi­schen. Tat sich eini­ge Jah­re auch ganz leicht in die­ser Rol­le. Wir waren zufrie­den indem wir am selbst-auf­er­leg­ten Döner-Kebab-Spieß vor uns hin­brut­zel­ten. Mitt­ler­wei­le wur­den es immer weni­ger Spie­ße auf denen man ent­gelt­lich vor sich hin­brut­zeln konn­te. Im Bereich der Medi­en und der Poli­tik tritt jetzt schon (2019) – bedingt durch die welt­wei­te Digi­ta­li­sie­rung – eine star­ke Ände­rung zu Tage. Und die­se hat sich bereits um 1990 ange­kün­digt. Die Ankün­di­gung nahm kaum jemand zur Kennt­nis. Das gehört eben zur Poli­tik, muss­te ich erst ein­mal erfah­ren. Den­noch: Das meis­te Tra­di­tio­nel­le wird es nicht mehr geben, es wird ersetzt wer­den durch die Inten­tio­nen der diver­sen NGO´s, wie etwa green­peace, avaaz, Repor­ter ohne Gren­zen, Trans­pa­ren­cy Inter­na­tio­nal, Lob­by Con­trol und so fort. Jugend­li­che wid­men sich aus­ser­halb der poli­ti­schen Par­tei­en, welt­weit ver­eint, sehr vie­ler mit­mensch­li­cher Anlie­gen. Wer stellt da noch die Fra­ge, ob Demo­kra­tie stirbt?

Wah­rer Jour­na­lis­mus wird zwar immer über­le­ben und rech­net sich auch! Sicher­lich wird Miss­brauchs-Jour­na­lis­mus einen gr0ßen Teil der benö­tig­ten Gel­der ander­wei­tig abschöp­fen, aber der ver­blei­ben­de Rest genügt. Schon vor etwa 30 Jah­ren habe ich Mit­ar­bei­tern der damals hoff­nungs­vol­len Fir­ma lion.cc erklärt, wie das mit den “fake news” zu gehen habe, damit es auch in den auf­kom­men­den soge­nann­ten “sozia­len” Netz­wer­ken fröh­li­che Urstän­de fei­ern könn­te. Aber damals stand die öster­rei­chi­sche Wirt­schaft unter der Fuch­tel von einer Hand­voll Men­schen, die von irgend­wo­her kamen um spä­ter dann gemein­sam vor Gericht zu ste­hen. Heu­te­zu­ta­ge wer­den mit FakeN­ews Mil­lio­nen umher- und sicher auch her­um­ge­scho­ben. An unse­rem mon­ar­chi­schen Land kla­rer­wei­se vor­bei! Und das nicht nur im geo­gra­phi­schen Sinn! Aber in die­sen Jah­ren des Nach-Kriegs-Luft-holens haben wir in schuld­haf­ter Selbst­kas­tei­ung völ­lig ver­ges­sen, uns von dem Schlamm zu befrei­en und fri­sche und damals noch sau­be­re Luft zu atmen. Wir haben ver­ges­sen und uns gar nicht getraut fest­zu­stel­len, dass wir Bestand­teil einer posi­ti­ven Ent­wick­lung waren, dass sich immer stär­ker christ­li­che und sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Wer­te in den west­li­chen Staa­ten durch­ge­setzt hat­ten, dass wir schon lan­ge Schiller´sche Gedan­ken­frei­heit genies­sen durf­ten, dass es seit 1985 nicht mehr um Arbeits­plät­ze und den Kampf dar­um gegan­gen ist, son­dern dass es um das Selbst­be­wußt­sein eines gan­zen Kon­ti­nents ging, dass es dar­um ging aus den vie­len klein­staat­le­ri­schen und natio­na­lis­ti­schen Regio­nen die­ses Kon­ti­nents unter den von vie­len Gene­ra­tio­nen bereits erleb­ten und erfah­re­nen Geburts­we­hen eine EU her­an­rei­fen zu las­sen. Die im Lau­fe unse­rer Geschich­te gewalt­sam gestor­be­ne Mil­li­ar­de an Men­schen mit ihren Schick­sa­len sind nicht nur Opfer son­dern im Beson­de­ren der Preis für die­sen Kon­ti­nent. In die­sen Jah­ren des “Club Sym­po­si­on” tauch­ten sol­che Gedan­ken aus­schließ­lich im föta­len Zustand auf und ver­schwan­den wie­der, sie waren auch nicht beschreib­bar, waren aber vor­han­den. Es wuss­te doch kei­ner von uns Jugend­li­chen im deut­schen Sprach­raum wohin wir uns ent­wi­ckeln, wohin “es” eigent­lich gehen soll­te. Alles war domi­niert vom Ost-West-Kon­flikt, von der USA-Hörig­keit, von einer EU war die brei­te Bevöl­ke­rung ganz ganz weit ent­fernt. Von mei­nem Vater hör­te ich hin und wie­der etwas von einer Mon­tan­Uni­on und liess es mir auch erklä­ren, was das denn sei. Dass da im Hin­ter­grund eine EU ste­hen soll­te, begriff ich erst spät, sehr viel spä­ter. In aller Ruhe liess eine Min­der­heit Wur­zeln schla­gen. Es war wirk­lich alles ver­sam­melt in die­sem Club, alles was mög­lich und unmög­lich war, alle Mei­nun­gen, Ein­stel­lun­gen und sogar auch Abstru­si­tä­ten. Wir rede­ten mit­ein­an­der, akzep­tier­ten ein­an­der. Es gab kei­nen Streit. Es gab nur Mei­nun­gen. Und nur des­we­gen weil jemand eine ande­re Mei­nung hat­te, war er nicht düm­mer als ande­re. Allei­ne dar­in lagen schon die Kei­me unse­rer Zukunft. 

Meinrad Nell als Feuerwache bei einem der Sommerfeste in Graz-Stifting.
Eini­ge Jah­re hin­durch ver­an­stal­te­ten wir bzw. der Club Sym­po­si­on Som­mer­fes­te auf dem Grund­stück mei­ner Groß­el­tern (müt­ter­li­cher­seits) in Graz-Stif­ting. Sehr erfolg­reich. Dabei war immer eine Feu­er­wa­che bis zum “Feu­er aus” not­wen­dig. Rund um mich her wur­de in den frü­hen Mor­gen­stun­den bereits inten­siv geschla­fen. Jene, die sich im Sumpf des Stif­ting­ba­ches ver­lo­ren hat­ten, trock­ne­ten sich im nächt­li­chen Feu­er und jenen die sich im stei­ri­schen Bier ver­lo­ren hat­ten, war sowie­so nicht mehr zu hel­fen. Mein­rad Nell als Prä­si­dent des Ers­ten Öster­rei­chi­schen Stie­fel­trin­ker­bun­des beim Bier-Vernichten.

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